In meinen Zwanzigern fuhren wir regelmäßig wenn uns unser linksradikales autonomes Leben langweilte, es auch gerade nichts für die Unterdrückten im Trikont, gemeint waren die Völker in Afrika, Asien und Lateinamerikas in Hamburger Innenstädten lautstark zu manifestieren, und den Ladeninhabern den Umsatz zu ruinieren gab, gerne in alten relativ schrottigen Autos nach Westberlin.

Wir mussten im Transit durch die DDR fahren, uns mit einem Reisepass ausweisen. Manchmal trampten wir auch ab dem Horner Kreisel, für junge Frauen war der Transit auch bei mittelalten sexuell verbal anzüglichen Berufsfahrern eine sichere Strecke, die Grenzkräfte, des untergegangenen antifaschistisch selbst definierten Stastes registrierten jedes Fahrzeug, dass mit der Höchstgeschwindigkeit von 100 Kmh über die volkseigenen Autobahnen, die noch aus der Zeit des Faschismus stammten.

Die Grenzanlagen lösten Unbehagen, die angestrengt finsteren Blicke, der Männer in den schlecht sitzenden Anzügen: „Funk, Waffen, Munition, reisen Kinder mit, wurde in das herunter gekurbelte Fenster auf der Fahrerseite, in schlecht sitzenden grauen Anzügen, und strengen Blick verlautbart. Dieser Satz, immer im gleichen monotonen Tonfall gesprochen, brannte sich für die Ewigkeit in mir ein.

Bei der Einfahrt in die Grenzanlage wurden die Pässe mit strengen Blick gemustert, jede Seite mit ausländischen Einreisestempeln inspiziert und abgestempelt. Für jede Transit Durchfahrt gab es einen Stempel.

Zum Ritual eines Berlin Wochendes gehörte der Stop im Transit Shop.

Die DDR, die die Durchreisenden Ausländer waren, besserte sich den Staatshaushalt mit Devisen, der D Mark auf. Wir kauften die Konsumartikel, die den DDR Bürgern nicht zugänglich waren. Coca-Cola, Prinz Denmark Zigaretten; Toblerone und Mumm Sekt wurde bei jeder Durchfahrt von uns erworben, Trotz unserer Stützkäufe, und der von Franz Josef Strauß eingefädelten Produktion von Kleidungsstücken für das Versandhaus Quelle in DDR Knästen, ging die DDR-Pleite. Die Springer Presse setzte die „DDR“ in Anführungszeichen, nach dem zweiten Weltkrieg nannte Springer die DDR noch „widerrechtlich sowjetisch besetzte Zone.

Selten aßen wir auf den Raststätten, sie rochen alle gleich, mutmaßlich gab es im Sozialismus nur ein, nicht parfümiertes Reinigungsmittel.

Das Essen bestand meist aus weich gekochten Gemüse, Vitamine wurden offensichtlich als Klassenfeinde, die es mit langem Kochen zu bekämpfen galt.

Legendär der Begriff der Sättigungsbeilage, gemeint waren Kohlenhydrat haltige Beilagen. Der Höhepunkt der Mahlzeiten meist Schweinefleisch. Besonders schaurig für uns BRD Kinder, die mit arbeitsmigrantischer Küche, aus Italien, Spanien, Griechenland und später der Türkei aufwuchs, war eine säuerliche Suppe, Sojanka, die weiter östlich im damaligen sowjetischen Machtbereich beheimatet gewesen sein muss

Einmal fuhren wir an den Grenzübergang nach Westberlin, Gabi fand ihren Reisepass nicht.

Panik machte sich in dem italienischen Kleinwagen breit, Phantasien von Deportationen in sowjetische Straflager machten sich breit in der Anspannung.

Ich fuhr an den Abfertigungsposten.

Die Männer in den schlecht sitzenden Anzügen reagierten in fast buddhistischer Tiefenentspannung, .Sie hatten beobachtet, dass Gabi den Pass auf das Autodach gelegt hatte, und er beim Anfahren herunter gefallen war

Sie witzelten noch darüber, das wir uns zu Viert in einen Kleinwagen gestopft hätten, während Reinhard Mey gerade alleine in einem großen Mercedes vorbei gefahren sei. Dann fuhren wir auf die Raststätte zurück, wo der Pass verloren gegangen war, bekamen ihn von Vopos überreicht, und hatten am Abend bei Döner und Dosenbier im nicht geheizten besetzten Haus eine Geschichte zu erzählen. Ein anderes Mal, als ich mit dem Zug mit Joachim reiste, hatte ich seinen, und er meinen Pass. Der kontrollierende Vopo schaute uns grimmig kontrollierend an, ob eine Ähnlichkeit bestünde. Dann verließ er mit den Pässen das Abteil, wieder stieg diese Angst in mir auf, und kehrte mit sechs weiteren Kollegen zurück in das enge Abteil der Reichsbahn.

Wieder wurden wir inspiziert und gemustert, ein versehentliches Verwechseln eines Ausweisdokuments war in dieser Welt nicht vorstellbar.

Sie schüchterten uns mit Absicht ein, mutmaßlich war unsere bloße Existenz, und unsere punkig angehauchte Kleidung Provokation genug.

Letztlich bekamen wir die Pässe vorder Einfahrt des Zuges im Bahnhof Zoo zurück.

Immer wenn ich in Berlin war, ging ich in einen wunderbaren Postkarten Laden in der Bergmannstrasse. Ich kaufte mindestens zehn Karten, und verschickte regelmäßig Bilder, lange vor WhatsApp Bildern im Status.

Als Kind, nach dem meine Mutter als ich drei Jahre alt war, die Scheidung von meinem Vater einreichte, damals musste es noch einen Schuldigen geben, an der Zerrüttüng der Ehe.

Mein Vater hatte, während meine Mutter im Obstgeschäft am ZOB von Tante Mia, eine später in die USA ausgewanderte Jugendfreundin meiner Großmutter, die Freundin Brunhild meiner Mutter flachgelegt. Überflüssigerweise hatte er Brunhild noch einen schön formulierten Brief geschrieben, den diese so aufbewahrt hatte, dass meine Mutter ihn wie eine Trophäe zum Scheidungsanwalt trug.

Sicher zurecht gekränkt, aber unverzeihlich wie sie war; auch mein Leben zerstörend.

Ich wuchs von da an unter ihrer totalitären Alleinherrschaft auf, trotz wechselnder Herrenbekanntschaften, die ich mit Onkel ansprechen sollte.Zwei davon ehelichte sie noch, die meisten sind mir nur vom nächtlichen Stöhnen der Mutter auf der schwarzen Leder Coach.

Mein Vater schickte mir regelmäßig Postkarten. Es war eine große Kiste davon voll, die ich als meinen Schatz hütete. Irgendwann zwischen dem Umzug in WG 3-10 ist dieser Schatz verloren gegangen, die Liebe zu Postkarten ist geblieben.

Der Junge, der in schwarzweiß den Bumerang warf, kam auch aus dem Laden in der Bergmannstraße.

Heute am letzten Tag des Jahres denke ich an ihn, und die vor ein paar Jahren an Brustkrebs verstorbene Britta, die mir diese Karte schickte.

Hau ab fieses altes Jahr, verpiß dich“

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Herzlich Willkommen

Danke, dass du vorbeischaust! Ich bin Kathrin Köpp, psychologische Psychotherapeutin aus Hamburg. Neben meiner Arbeit in der Praxis biete ich eine Online-Beratung für Krisensituationen und diagnostische Einschätzungen für Selbstzahler ohne Wartezeit an. Auf diesem Blog möchte ich mit dir Geschichten aus meinem beruflichen und privaten Alltag als von MS-Betroffene teilen. Meine wichtigste Mitarbeiterin ist Miss Molly, nach zehn Jahren als Hauskatze auch als Queen Mom bekannt. Besonders bei ängstlichen und depressiven Patientinnen ist sie ein wertvoller Teil meines Teams.

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