Sie ist in den Siebzigern, hat Schlimmes in ihrer Biographie erlitten, die Mutter früh an einer Krebserkrankung verloren, der Vater verbrachte sie und die Brüder in ein Kinderheim, und wandte sich einer Jüngeren zu.

Mit Sechszehn verliebte sie sich, der Mann fuhr zur See, sie unterstützte ihn sein Seefahrtspatent zu machen, und zog die drei Kinder überwiegend alleine groß.

In ihren Vierzigern erkrankte der Ehemann an einem Gehirntumor.

Der stabile, und auch Halt gebende kehrte als Pflegebedürftiger auch desorierntierter zurück, und verstarb.

Sie wandte sich der Unterstützung des Enkels zu, der zwei Monate nach dem Tod des Mannes geboren wurde, ihre jüngste Tochter war seelisch überfordert. 

Diagnostisch könnte man auch von einer komplexen Traumatisierung sprechen, auf der Erscheinungsebene die destruktive Impulsivität des Borderlines.

Zur Beruhigung der inneren Spannungen hat sich die Patientin dem Beruhigungsmittel Loraxepan zugewandt, wenn sie in Not gerät ruft sie den Notarzt, nicht immer nimmt sie das Medikament, manchmal beruhigt sie die Ansprache, einmal blieb ein Arzt eine Viertelstunde, er hatte keinen sofortigen Nachfolgeeinsatz, und sah sich mit ihr die Fußball EM an. Medikamente benötigte sie nicht.

Oft gelingt es ihr mittlerweile sich selbst zu beruhigen, ohne Medikamente, oder Durchbruch, heute kippte sie wieder in die Angst verlassen zu werden, in Schuld und Schamgefühle.

Die elektronischen Medien bieten scheinbar sofortige Entlastung durch Affektabfuhr. Die kurze Beruhigung ist trügerisch, es lädt sich Schuldgefühl und Einsamkeit, spätestens wenn sich das Gegenüber gekränkt zurückzieht, oder auch den Borderline aus der Kiste lässt und zurück schießt, weil gerade keine Großzügigkeit zur Verfügung steht.

Früher, als es Telefone mit Wählscheiben gab, wäre der aggressive Impuls schon nach dem Wählen der Vorwahl abgeklungen, die Stimme des Gegenüber hätte es unmöglich gemacht verbal die Kalaschnikow durchzuladen.

Zu Zeiten als Telefonate vom „Fräulein vom Amt“ vermittelt wurden, wäre der Weg vom Impuls zum Gegenüber über eine dritte Person verunmöglicht worden.

Beim Briefschreiben mit der Hand wäre die Entladung wohl noch auf das Papier gekommen, aber auf dem Weg zum Briefkasten wäre mutmaßlich die Wut verraucht, das Adrenalin wäre durch den kurzen Spaziergang herunter gefahren. Mancher destruktiver Online Kommentar hätte es zu Papier Zeiten nie in die Leserbriefspalten  der Zeitungen geschafft.

Die Funktion der Sprachnachricht lässt den Affektausbruch ungebremst eskalieren, wenn kein gutes inneres Objekt zur Selbstberuhigung zur Verfügung steht.

Die Entlastung nach dem Affektdurchbruch ist nur kurzfristig, es fluten Schuldgefühle und Verzweiflung an. Die Angst vor Verlassenheit wird zur realen Bedrohung, die erwachsenen Kinder und Enkel ziehen sich erschrocken zurück, die Besserung durch die begonnene Therapie hielt nicht lange an.

Die Therapie muss zweigleisig arbeiten, Traumatisches Aufarbeiten, aber akut ein inneres stabilisierendes Objekt fördern, und die Ressourcen zur Selbstberuhigung mobilisieren.

Metaphern können Brücken zur Selbststeuerung bilden, „die Kalaschnikow im Schrank stehen lassen“.

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Danke, dass du vorbeischaust! Ich bin Kathrin Köpp, psychologische Psychotherapeutin aus Hamburg. Neben meiner Arbeit in der Praxis biete ich eine Online-Beratung für Krisensituationen und diagnostische Einschätzungen für Selbstzahler ohne Wartezeit an. Auf diesem Blog möchte ich mit dir Geschichten aus meinem beruflichen und privaten Alltag als von MS-Betroffene teilen. Meine wichtigste Mitarbeiterin ist Miss Molly, nach zehn Jahren als Hauskatze auch als Queen Mom bekannt. Besonders bei ängstlichen und depressiven Patientinnen ist sie ein wertvoller Teil meines Teams.

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