Schlumpfine

Deborah erinnert, dass sie als dreijähriger Thorsten mit der jüngeren Schwester um die einzig weibliche blaue Figur mit dem blonden Zopf konkurrierte.

Meine Frage war, was ihre frühstens Erinnerung an eine weibliche Identifikation war.

Sie hatte gerade glücklich in ihrem WhatsApp Status die Bescheinigung für ihren Antrag auf Namensänderung beim Standesamt gepostet.

Die viel geschmähte Ampelkoalation hatte das zum 1.11.2024 möglich gemacht. Deborah ergatterte einen Termin am 4.11.  im Anschluss ging sie mit der besten Freundin und deren Ehemann beim Lieblingsitaliener essen.

Sie genossen gemeinsam das

„Ciao Bella“ von Giovanni, allein dafür war der Umzug aus der Schwäbischen Provinz ein „cooler move“, wie es die zweiundzwanzig Jahre alte Tochter Lizzie nannte.

Als sich ihr Vater als Transgender outet antwortete sie etwas zu generös für Deborahs Empfinden, das habe ich mir schon immer gedacht.

Deborah wartet sehnsüchtig auf den neuen Personalausweis, auch um ihre Krankenversicherungskarte ändern zu lassen.

Der Horror Trip war das Einlesen der Karte mit dem getauften männlichen Namen, nachdem sie sich als Frau Lehsten vorgestellt hatte.

Die gaffenden Blicke der Medizinischen Fachangestellten verfolgten sie bis nach Hause, die Freude an der wunderschönen rötlichen Perücke, aus echtem Haar, verheulte sie jedes Quartal erneut.

Ihre achtzigjährige Mutter hatte ihre Transition ebenso wie ihre beiden älteren Schwestern gelassen genommen.

Alle Befürchtungen verstoßen zu werden zerflossen in warmherzigen Umarmungen.

Als die Psychotherapeutin sie fragte, was anders sei, in ihrem weiblichen Leben, antwortete sie, als Mann wären maximal drei Oberhemden bei einem Herrenausstatter in die engere Wahl gekommen, gestützt durch die Hormontherapie, schreien sie jetzt fast alle Blusen auf dem Ständer,

„nehme mich mit, ich wurde für dich genäht“.

Sie hatte bei jedem Quartalswechsel Angst vor Frau Lehmann durchdringenden entwertenden Blicken.

Nachdem Deborah sich bei dem freundlichen türkischen Hausarzt beschwert hatte, sprach Frau Lehmann sie zwar mit Frau Lehsten an, aber in einer ironisierenden Betonung.

Sie musste jedes Quartal in die Praxis, um ihre Hormonpräparate zu erhalten.

Die letzten drei Quartalstage, traute sie sich aus Angst vor dem“Frau Lehsten“, nicht aus dem Haus.

Die ersten Tage des,neuen Quartals lag sie mit dicken rotgeheulten Augen im Bett.

Als ITlerin konnte sie überwiegend von zuhause aus arbeiten.

Der Chef hatte ihr beim Wechsel des  Vornamens umgehend eine neue Email Adresse eingerichtet,

„falls es Probleme mit Kunden oder Kollegen gibt, melden Sie sich bei mir, ich schätze Sie und Ihre Arbeit“.

Alle hatten es ohne Gerede freundlich akzeptiert, sie, Deborah akzeptiert.

Manchmal erinnerte sie sich an die Schwäbische Provinz.

Thorsten besuchte mit den beiden Töchtern und später dem Pflegesohn gerne die Krabbelgruppen.

Die weibliche Energie sog er ein, auch die überwiegend von Müttern besuchten Eltern Abend zogen sie an, bis jemand „Herr Lehsten“ sagte, fühlte sie sich als Frau unter Gleichen.

In „Second Live“ betrieb sie eine Damen Boutique und einen Friseursalon.

Sie war als Frau in Samantha verliebt, eine grossbusige Barfrau mit aufgespritzten Lippen, die ihr vermittelte, sie lebe in Hamburg, der großen Stadt an der Elbe.

Die Sehnsucht Samantha in die Arme zu schließen, als Deborah wurde größer und größer, und und der Plan in den Norden zu ziehen, und mit langen roten Haaren über den Jungfernstieg zu schlendern, und sich in edlen Boutiquen einmal einzublenden, und im Alex, einem feinen Kaffee an der Binnenalster, einen Cocktail zu trinken wurde zur Obsession.

Als die Ehe mit Karina noch funktionierte,  und sie ihr und den Kindern zu Liebe Vater und Ehemann spielte, waren sie während eines Ostsee Urlaubs einmal dort gewesen.

Sie sah sich als befreundete Mutter, Patentante, und gab für die anderen den

Thorsten.

Deborah mochte Thorsten nicht, sie verachtet ihn als Weichei, als Frau Köpp die Therapeutin, die sie wegen des Gutachten zur geschlechtsangleichenden  Operation, darauf ansprach, sie solle freundlich mit ihm sein, er hätte eine schwierige Kindheit und Jugend gehabt, versuchte sie ihn als einen Teil von sich anzunehmen, das gelang nicht immer.

Als sie nach ihrem Umzug nach Hamburg Altona versuchte Samantha im wirklichen Leben kennenzulernen, teilte deren Schwester ihr in Second Live mit, Samantha sei verstorben.

Sie hatte sie über alles geliebt, das Gefühl verarscht worden zu sein, kam immer wieder hoch, wenn sie einsam war, oder ein Frau Lehmann Erlebnis hatte, suchte sie Trost bei Samantha.

Frau Köpp meinte, diese hätte ihre Aufgabe erfüllt, nachdem die Ampel das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Personenstandsänderung umgesetzt hatte, wurde es leichter mittendrin dabei zu sein.

Sie freute sich darauf ihren neuen Personalausweis abzuholen, und im kommenden Jahr nach der geschlechtsangleichenden Operation, Deborah zu sein, mit fünfunfünzig Jahren bei sich anzukommen, nicht mehr den Anderen zu Liebe Thorsten zu sein. Sabrina, die sie morgen in der Psychatrie besuchen würde, hatte ihr eine Schlumpfine geschenkt.

Sie hatten sich beim Lesben Stammtisch kennengelernt.

Der Stationsarzt freute sich wenn sie die Freundin besuchte,

“ es geht ihr noch zwei Tage danach besser, die Zuversicht kommt zurück.“

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Herzlich Willkommen

Danke, dass du vorbeischaust! Ich bin Kathrin Köpp, psychologische Psychotherapeutin aus Hamburg. Neben meiner Arbeit in der Praxis biete ich eine Online-Beratung für Krisensituationen und diagnostische Einschätzungen für Selbstzahler ohne Wartezeit an. Auf diesem Blog möchte ich mit dir Geschichten aus meinem beruflichen und privaten Alltag als von MS-Betroffene teilen. Meine wichtigste Mitarbeiterin ist Miss Molly, nach zehn Jahren als Hauskatze auch als Queen Mom bekannt. Besonders bei ängstlichen und depressiven Patientinnen ist sie ein wertvoller Teil meines Teams.

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